Grüner Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz: Jetzt online diskutieren

In den letzten Jahren sind Missstände und rechtswidrige Vorgänge in Unternehmen, Institutionen und Behörden oft erst durch Hinweise von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt geworden (durch sogenannte Whistleblower).

Oft besteht ein großes öffentliches Interesse an diesen Informationen, zu denen nur ein begrenzter Personenkreis Zugang hat, so im Pflegebereich oder bei der Aufdeckung von Lebensmittelskandalen. Dennoch drohen diesen Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern neben Mobbing häufig auch arbeits- und dienstrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung.

Anders als in Großbritannien und den USA bestehen Regelungen zum Schutz von Bediensteten vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen sowie anderen Repressionen in Deutschland allenfalls vereinzelt. Sie sind zu eng gefasst und ermöglichen oftmals nur betriebsinterne Hinweise. Einzelne arbeitsgerichtliche Urteile zu dem Thema ersetzen keine gesetzliche Normierung.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen hat deshalb einen eigenen Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz erarbeitet. Unser „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern“ sieht Änderungen im Bereich des Arbeitsrechts sowie im Beamtenrecht vor.

Wir laden alle Interessierten ganz herzlich ein, hier den Entwurf gemeinsam mit uns zu diskutieren. Zum anderen laden wir die juristische Fachwelt ein, auf den Seiten des juristischen Fachverlags C.H. Beck, unter community.beck.de unseren Gesetzentwurf einer fundierten juristischen Prüfung zu unterziehen. Wir freuen uns über alle konstruktiven Anregungen und Hinweise und werden eingehend prüfen, ob wir diese berücksichtigen können, bevor wir wie geplant Anfang Dezember diesen Jahres oder Anfang 2012 unseren Entwurf im Parlament einbringen werden.

Am 30. November 2011 (von 16.30 bis 19.30 Uhr) wollen wir zusätzlich bei einem öffentlichen Fachgespräch im Deutschen Bundestag diskutieren, von dem wir uns weitere wichtige Anregungen erhoffen. Dazu sind ebenfalls alle Interessierte herzlich willkommen. Eine Anmeldung für die Veranstaltung wird über die Seite der grünen Bundestagsfraktion möglich sein.

Über den aktuellen Stand unserer Initiative und den weiteren Verlauf der Diskussion werden wir regelmäßig auch auf www.gruen-digital.de berichten.

Ingrid Hönlinger, MdB     &     Dr. Konstantin von Notz, MdB

Hier können Sie den vollständigen Gesetzentwurf als PDF herunterladen.

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15 Gedanken zu „Grüner Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz: Jetzt online diskutieren“

  1. Mir ist unklar,warum ein Whistle-Blower sich mit irgendeiner „zur innerbetrieblichen Klärung zuständige Stelle“ auseinandersetzen muss – bzw warum er sich einen Kopf drum machen muss, ob er sein Verdacht nun an eine „zuständige außerbetriebliche Stelle“ herangetragen werden dort. Ganz zu schweigen von der Feststellung, ob es ein „überwiegendes öffentliches Interesse gibt“. Wenn ich nach diesem Gesetz vorgehen will, sollte ich mich wirklich vorher einen Anwalt beraten – wer da wann eigentlich alle „zuständig“ sein könnte…

    Ich würde mir ein Gesetz wünschen, wonach es legitim ist, dass ich z.B. meine Firma anonym anzeige und dann über eine Vertrauensperson (Pastor/Gewerkschafter/Rechtsanwalt/Reporter) absichere, dass diese Anzeige auch vernünftig bearbeitet wird. Ich glaube, nur mit der Chance anonym zu bleiben, wird ein solches Gesetz ein Erfolg (Ich weiß, die Leute glauben immer anonymer zu sein, als sie es de facto sind – aber das ist ein anderes Problem).

    Eurer Ansatz macht den oben genannten Weg illegal, weil man es vielleicht vorher hätte so und so melden müssen – sprich: man hätte sich (als „Störenfried“ ?) identifizieren müssen – eine denkbar schlechte Voraussetzung für ein gutes Gesetz.

    Grüße
    Rainer Sonntag

    1. Sehr geehrter Herr Sonntag,
      vielen Dank für Ihren Kommentar. Um Missverständnissen vorzubeugen möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass der Gesetzesentwurf es nicht ausschließt, entsprechende Hinweise anonym abzugeben. Schon heute gibt es Unternehmen in Deutschland, die interne anonyme Hinweisgebersysteme eingerichtet haben. Diese Möglichkeit soll den Unternehmen natürlich nicht genommen werden. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung solcher Systeme ginge nach unserer Ansicht aber zu weit, insbesondere weil eine solche Pflicht für kleine Betriebe nicht sachgemäß und mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre. Zudem ist es in einem Betrieb mit wenigen Angestellten auch kaum möglich anonymes Whistleblowing zu ermöglichen, da häufig nur einer oder wenige Arbeitnehmer als Hinweisgeber in Betracht kommen werden. Außerbetriebliche Stellen wie z.B. Ombudsleute sollten ohnehin, vergleichbar etwa dem Gebot bei Eingaben an Datenschutzbehörden, die Anonymität der Petenten gegenüber der betroffenen Stelle wahren.

      Dass der Arbeitnehmer prinzipiell zunächst versucht innerbetrieblich Abhilfe zu verlangen und erst in Abhängigkeit der Schwere des Verstoßes externe Stellen und die Öffentlichkeit informieren darf, ist nach unserer Auffassung erforderlich, um dem besonderen, vertraglich begründeten Treueverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gerecht zu werden. Es wäre wohl auch nicht sachgemäß, wenn der Arbeitnehmer schon bei dem bloßen Verdacht eines geringen Rechtsverstoßes gleich zur Presse gehen dürfte. Dies könnte das Betriebsklima relativ rasch vergiften und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit für beide Seiten sehr erschweren. Diesen grundsätzlichen Konflikt zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an einer möglichst effektiven Abhilfe ohne die Gefahr selbst Nachteile zu erleiden und dem Interesse des Arbeitgebers an der internen Klärung, u.a. auch zur Vermeidung von Image-Schäden wollen wir mittels einer differenzierten Stufenregelung (§ 612b Absätze 1-3) lösen.

      Für den Whistleblower kann es dadurch im Einzelfall natürlich schwierig sein herauszufinden, welche Stelle die zuständige ist und an wen er sich wann wenden muss. Wir sind uns dessen bewusst, dass ein Blick ins Gesetz dem juristischen Laien nicht alle diese Fragen beantworten wird.
      Hier ist an entsprechende Informations – und Beratungsangebote im Internet oder ähnliches zu denken. Der Whistleblower soll bei diesen Fragen jedenfalls nicht hilflos dastehen.

  2. Vorschläge der Grünen zum Whistleblowerschutz noch unzureichend

    Whistleblower-Netzwerk e.V. hat sich in einer ausführlichen Stellungnahme mit den aktuellen Vorschlägen der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen zum gesetzlichen Whistleblowerschutz beschäftigt und fordert Nachbesserungen.

    Das Netzwerk macht seine Kritik vor allem daran fest, dass der Vorschlag zwar positive Ansätze enthalte, letztlich denjenigen, die Missstände am Arbeitsplatz vermuten, aber keine planbare und sichere Alternative zum „Melden statt Wegschauen“ bietet.

    Whistleblower-Netzwerk hält es dabei vor allem für den falschen Weg, die Einschaltung zuständiger Behörden an Voraussetzungen zu knüpfen, deren Vorliegen durch Mitarbeiter selbst mit anwaltlicher Beratung kaum sicher abgeschätzt werden könnten. Wie soll jemand denn belegen, dass – so eine der von den Grünen aufgestellten Bedingungen – sein Arbeitgeber Straftaten von Kollegen explizit billigt? Wie soll er wissen, ob er lange genug auf eine Antwort auf interne Hinweise gewartet hat, wenn der Gesetzesentwurf hierzu schweigt? All diese Fragen würden laut Whistleblower-Netzwerk auch nach den Vorstellungen von Bündnis90/Die Grünen weiterhin erst im Nachhinein und auf Einzelfallbasis von Gerichten entschieden werden. Potentielle Whistleblower würden weiterhin abgeschreckt statt zur Meldung ermutigt. Grundrechte wie Petitionsrechts und Meinungsfreiheit, deren Verletzung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zuletzt im Fall der Altenpflegerin Brigitte Heinisch feststellte, blieben dabei genauso auf der Strecke wie die Interessen der Allgemeinheit.

    „Wir hoffen, dass die Grünen ihr Diskussionsangebot, welches wir sehr begrüßen, auch ernst meinen und sich unsere Kritik zu Herzen nehmen“ sagt Guido Strack, der Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks. Er wird am 30.11.2011 in Berlin an einem Fachgespräch mit der Bundestagsfraktion teilnehmen. Positive Aspekte des Grünen Vorschlags sieht er in den vorgesehenen Beweiserleichterungen beim Diskriminierungsnachweis, in der Erstreckung auf Beamte und in der Einbeziehung drohender Rechtsverletzungen. Andererseits seien aber neben der Kernfrage der Vorhersehbarkeit auch Nachbesserungen in einigen Formulierungen, die Ausdehnung des Schutzes auf atypische Beschäftigungsverhältnisse, ein Schutz auch bei Insolvenz des Arbeitgebers und vor allem auch eine Lösung für Altfälle und eine positive Förderung und Unterstützung von Whistleblowing notwendig. „Wir empfehlen den Grünen dringend sich die internationale ‚best practice‘, die Vorschläge zum effektiven Whistleblowerschutz von Transparency International und auch den Gesetzesentwurf unseres Netzwerks nochmal genau anzuschauen und die darin enthaltenen Anregungen aufzugreifen.“

    Die vollständige Stellungnahme zum Entwurf der Grünen und der eigene Gesetzesentwurf des Whistleblower-Netzwerks sind verfügbar unter: http://www.whistleblower-net.de/gesetzgebung.

    1. Sehr geehrte Damen und Herren vom Whistleblower-Netzwerk,
      vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme zu unserem Entwurf und die konstruktive Kritik. An dieser Stelle möchten wir zumindest auf die Mehrzahl Ihrer Punkte näher eingehen:

      Die Einbeziehung von sogenannten arbeitnehmerähnlich Beschäftigten in die Whistleblower-Regelung ist aus unserer Sicht problematisch. Da diese in der Regel nicht in einem Dauerschuldverhältnis mit einer Person stehen, sondern sie immer wieder neue Verträge (z.B. Dienst- oder Werkverträge) mit dieser abschließen, stellt sich die Frage welche Rechtsfolgen ein Maßregelungsverbot für den entsprechenden „Auftraggeber“ nach sich ziehen würde. Wenn die arbeitnehmerähnliche Person nicht wegen ihres Hinweises benachteiligt werden darf, würde sich daraus faktisch ein Kontrahierungszwang für den „Auftraggeber“ ergeben. Dies wäre jedoch nicht nur im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit problematisch, sondern würde auch erhebliche Folgeprobleme nach sich ziehen. Denn es müsste festgelegt werden, wie lange ein solcher Kontrahierungszwang bestehen sollte.

      Im Fall von Leiharbeitsverhältnissen besteht nach unserer Auffassung keine Schutzlücke. Wenn der Arbeitnehmer beim Entleiher Missstände aufdeckt geschieht dies auch „im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit“. Er muss sich demnach zunächst an seinen Arbeitgeber also den Verleiher wenden und kann unter den entsprechenden Voraussetzungen auch Hinweise an externe Stellen und an die Öffentlichkeit geben. Hinweise ggü. dem Entleiher sind ohne weiteres möglich. Von diesem drohen ihm auch keine rechtlichen Nachteile, da er mit diesem nicht in einem vertraglichen Verhältnis steht.

      Ein Wahlrecht zwischen externer und interner Klärung wäre nach unserer Auffassung nicht sachgerecht. Es ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber in vielen Fällen ein legitimes Interesse an einer vorherigen internen Klärung hat. Eine solche kann auch zum Schutz von Arbeitsplätzen beitragen. Wenn jedoch beispielsweise eine Gefahr für gewichtige Individual- oder Kollektivrechtsgüter droht oder die Begehung von Straftaten im Raum steht, muss das Interesse des Arbeitgebers zurückstehen. Daher haben wir in § 612b Abs. 2 unseres Entwurfs eine Vielzahl von Fällen geregelt, in denen der Grundsatz der vorherigen internen Klärung durchbrochen ist. Wir denken, dass wir so im Ergebnis einen gerechten Interessenausgleich schaffen können.

      Hinsichtlich Ihres Hinweises, dass wir mit unserem Gesetzentwurf hinter der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zurückbleiben, haben wir den Nachbesserungsbedarf erkannt. Strafanzeigen müssen dementsprechend grundsätzlich möglich sein, es sei denn der Arbeitnehmer war bösgläubig oder hat leichtfertig unrichtige Vorwürfe erhoben. Wir arbeiten diesbezüglich zur Zeit an Korrekturen des Gesetzesentwurfs und werden für diesen Fall auch die notwendigen Beweislastregelungen vorsehen. Der Rechtsprechung ist jedoch kein genereller Grundsatz zu entnehmen, dass externe Hinweise, gleich welcher Art, stets zulässig sein müssen, sofern sie nicht bösgläubig oder leichtfertig erfolgen. Ein solcher Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung lediglich für Strafanzeigen und die Wahrnehmung bzw. Erfüllung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten im Strafverfahren.

      Nach der ständigen Rechtsprechung hat der Arbeitgeber das Recht aus § 9 I 2 KSchG, einen Antrag auf Auflösung zu stellen, nur dann, wenn die Kündigung ausschließlich aufgrund der Sozialwidrigkeit unwirksam ist. Ergibt sich die Unwirksamkeit noch aus anderen Gründen, kann der Arbeitgeber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht verlagen (BAG, Urteil vom 9. 10. 1979 – 6 AZR 1059/77; BAG, Urteil vom 28. 8. 2008 – 2 AZR 63/07)
      Im Fall des berechtigten Whistleblowings würde sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus § 612a BGB ergeben, so dass ein Antrag des Arbeitgebers auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich wäre. Insofern sehen wir an dieser Stelle keine Gefahr eines „Schlupflochs“ für den Arbeitgeber.

      Eine Einbeziehung des Whistleblowings in § 1 AGG erscheint uns nicht als sinnvoll. Nach § 1 AGG sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung usw. geschützt. Also Merkmale, die einer Person gewissermaßen „anhaften“. Whistleblowing hingegen ist ein Verhalten. Zudem verwirklicht das AGG einen besonderen Schutz aufgrund von Art. 3 GG und Art. 21 I GR-Charta der Europäischen Union und diente der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien (insbesondere RL 2000/43, RL 2000/78). Aufgrund dessen entsprechen die Merkmale in § 1 AGG weitgehend denen in Art. 3 III GG und Art. 21 I GR-Charta der Europäischen Union. Nach unserer Auffassung wäre Whistleblowing daher ein Fremdkörper im AGG. Es würde sich auch die Frage stellen, warum nicht auch andere Verhaltensweisen, die als Gründe für Diskriminierungen in Betracht kommen, eine Einbeziehung in das AGG finden. Ferner ist die Systematik des AGG an vielen Stellen auf das Zusammenspiel von Benachteiligungsverboten und Rechtfertigungsgründen zugeschnitten. Auch hier vermag sich das Whistleblowing als Merkmal nicht richtig einzufügen (vgl. etwa § 8 AGG).

      Schließlich möchten wir noch darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf keine Unterscheidung zwischen offenem und anonymem Whistleblowing trifft und mithin anonymes Whistleblowing nicht ausschließt. Ferner erwägen wir derzeit die Ergänzung einer Evaluierungsklausel.

      Wir freuen uns weiterhin auf eine anregende Diskussion und werden selbstverständlich die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen weiter prüfen.

  3. Büro Hönlinger/Notzsagte am 8. Dezember 2011 um 13:55 :
    Sehr geehrte Damen und Herren vom Whistleblower-Netzwerk,
    vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme zu unserem Entwurf und die konstruktive Kritik. An dieser Stelle möchten wir zumindest auf die Mehrzahl Ihrer Punkte näher eingehen:

    Liebe Frau Hönlinger, lieber Herr v. Notz, liebe Bundestagsfraktion,
    vielen Dank für den Mut zur öffentlichen Auseinandersetzung mit Punkten unserer Kritik am Entwurf auf die wir gerne hiermit replizieren möchten:

    Die Einbeziehung von sogenannten arbeitnehmerähnlich Beschäftigten in die Whistleblower-Regelung ist aus unserer Sicht problematisch. Da diese in der Regel nicht in einem Dauerschuldverhältnis mit einer Person stehen, sondern sie immer wieder neue Verträge (z.B. Dienst- oder Werkverträge) mit dieser abschließen, stellt sich die Frage welche Rechtsfolgen ein Maßregelungsverbot für den entsprechenden „Auftraggeber“ nach sich ziehen würde. Wenn die arbeitnehmerähnliche Person nicht wegen ihres Hinweises benachteiligt werden darf, würde sich daraus faktisch ein Kontrahierungszwang für den „Auftraggeber“ ergeben. Dies wäre jedoch nicht nur im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit problematisch, sondern würde auch erhebliche Folgeprobleme nach sich ziehen. Denn es müsste festgelegt werden, wie lange ein solcher Kontrahierungszwang bestehen sollte.

    Was die von uns angeregte Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher Beschäftigter angeht, so geht diese zurück auf den Gedanken, dass gesetzlicher Whistleblowerschutz einen weiten persönlichen Geltungsbereich haben sollte (vgl. Nr. 5 der Empfehlungen von Transparency International und Nr. 5 der Zusammenstellung von International Best Practice durch GAP), wichtige Informationen für die Behebung von Missständen also nicht nur deswegen nicht verfügbar werden, weil der sie kennende Insider keinen formellen Arbeitsvertrag hat. Zuletzt haben dies auch G20 und OECD im dritten Spiegelstrich zu Nr. 2 ihrer Leitlinien zum gesetzlichen Whistleblowerschutz bestätigt. Dieser lautet (eigene Übersetzung): „- Schutz wird öffentlichen und privaten Beschäftigten gewährt, und zwar nicht nur fest angestellten Arbeitnehmern und Beamten, sondern auch anderen Personen wie Beratern, Auftragnehmern, befristet Beschäftigten, ehemaligen Mitarbeitern, Freiwilligen, etc.;“. 
    Dem deutschen Recht ist eine Erstreckung von Schutzregelungen auf arbeitnehmerähnliche Beschäftigte ebenfalls nicht fremd (z.B. §§ 5 Abs. 1 ArbGG, 2 BurlG, 12a TVG), insbesondere gilt dies auch im Rahmen des AGG gemäß dessen § 5 Abs. 1 Satz 2.  
    Abgesehen davon, dass jede verbindliche gesetzliche Regelung des Vertragsrechts immer auch einen – vom Gesetzgeber allerdings als notwendig und gerechtfertigt angesehenen und verfassungsrechtlich überprüfbaren – Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellt, stellt sich die von Ihnen angesprochene Problematik des Kontrahierungszwangs letztlich in gleicher Weise bei der Frage der Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge „normaler Arbeitnehmer“. Hier wie dort soll unserer Meinung nach kein genereller Kontrahierungszwang geschaffen werden, eine diskriminierende Verwehrung eines Folgevertrages, der ohne das Whistleblowing des Beschäftigten sicherlich zustande gekommen wäre (und hier kann als Indiz regelmäßig die Behandlung von Nicht-Whistleblowern in gleicher Situation sowie die Behandlung von Whistleblowern in der Vergangenheit gelten) sollte aber hier wie dort ausgeschlossen werden.

    Im Fall von Leiharbeitsverhältnissen besteht nach unserer Auffassung keine Schutzlücke. Wenn der Arbeitnehmer beim Entleiher Missstände aufdeckt geschieht dies auch „im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit“. Er muss sich demnach zunächst an seinen Arbeitgeber also den Verleiher wenden und kann unter den entsprechenden Voraussetzungen auch Hinweise an externe Stellen und an die Öffentlichkeit geben. Hinweise ggü. dem Entleiher sind ohne weiteres möglich. Von diesem drohen ihm auch keine rechtlichen Nachteile, da er mit diesem nicht in einem vertraglichen Verhältnis steht.

    Den Regelungsbedarf im Zusammenhang mit Leiharbeitsverhältnissen sehen wir vor allem dann, wenn der Whistleblower sich aufgrund der Sachnähe und evtl. auch Eilbedürftigkeit mit Hinweisen an den Entleiher wendet, da dieser nicht „Arbeitgeber oder eine zur innerbetrieblichen Klärung zuständige Stelle“ iSd. § 612b Abs. 1 des Entwurfes ist, und auch die weiteren Absätze hier nicht einschlägig sind. Demnach genösse der Leiharbeitnehmer in einer solchen Konstellation keinerlei Schutz gegen Sanktionen seines Arbeitgebers.  
    Aber auch Benachteiligungen seitens des Entleihers sind unserer Meinung nach durchaus denkbar, in dem dieser dem Whistleblower z.B. konkrete Zugangsmöglichkeiten entzieht oder beim Verleiher klarmacht, diese Person nicht mehr überlassen bekommen zu wollen. Dies und die nachfolgende Entlassung durch den Verleiher mangels anderweitiger Einsatzmöglichkeit könnten dann, unabhängig von der Frage, wem gegenüber der Hinweis erfolgte, unter Umständen seitens eines Gerichts nicht als Benachteiligung durch den Verleiher iSv. § 612a BGB angesehen werden. Der beabsichtigte Schutz des Whistleblowers liefe leer.

    Ein Wahlrecht zwischen externer und interner Klärung wäre nach unserer Auffassung nicht sachgerecht. Es ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber in vielen Fällen ein legitimes Interesse an einer vorherigen internen Klärung hat. Eine solche kann auch zum Schutz von Arbeitsplätzen beitragen. Wenn jedoch beispielsweise eine Gefahr für gewichtige Individual- oder Kollektivrechtsgüter droht oder die Begehung von Straftaten im Raum steht, muss das Interesse des Arbeitgebers zurückstehen. Daher haben wir in § 612b Abs. 2 unseres Entwurfs eine Vielzahl von Fällen geregelt, in denen der Grundsatz der vorherigen internen Klärung durchbrochen ist. Wir denken, dass wir so im Ergebnis einen gerechten Interessenausgleich schaffen können.
    Hinsichtlich Ihres Hinweises, dass wir mit unserem Gesetzentwurf hinter der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zurückbleiben, haben wir den Nachbesserungsbedarf erkannt. Strafanzeigen müssen dementsprechend grundsätzlich möglich sein, es sei denn der Arbeitnehmer war bösgläubig oder hat leichtfertig unrichtige Vorwürfe erhoben. Wir arbeiten diesbezüglich zur Zeit an Korrekturen des Gesetzesentwurfs und werden für diesen Fall auch die notwendigen Beweislastregelungen vorsehen. Der Rechtsprechung ist jedoch kein genereller Grundsatz zu entnehmen, dass externe Hinweise, gleich welcher Art, stets zulässig sein müssen, sofern sie nicht bösgläubig oder leichtfertig erfolgen. Ein solcher Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung lediglich für Strafanzeigen und die Wahrnehmung bzw. Erfüllung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten im Strafverfahren.

    Wir bedanken uns für Ihre Bereitschaft, die externen Meldemöglichkeiten im Hinblick auf Strafrechtsverstöße nochmals zu überarbeiten. Auch jenseits dessen gibt es aber sehr wohl Anzeichen in Gesetz und Rechtsprechung, die auf ein Recht des Whistleblowers hindeuten, sich auch ohne Vorliegen einer besonderen Unzumutbarkeit direkt an eine zuständige Behörde zu wenden. Artikel 17 GG kennt eine solche Vorschaltnotwendigkeit ebenso wenig wie z.B. § 25 LDatenSchG-NRW und andere Landesdatenschutzgesetze, gleiches gilt auf international rechtlicher Ebene für Art. 5 c) der ILO-Konvention 158. Schließlich heißt es im Urteil des EGMR im Fall Heinisch in Rn. 65 (ebenso zuvor schon die Urteile Guja und Marchenko), generell und ohne Bezug auf Strafrecht: „Consequently, in the light of this duty of loyalty and discretion, disclosure should be made in the first place to the person’s superior or other competent authority or body.“ 
    Die unbedingte Freigabe der Meldemöglichkeit an zuständige Behörden folgt letztlich aus dem Gewaltmonopol des Staates. Sie bedeutet aber andererseits nicht, dass es nicht in sehr vielen, wenn nicht sogar den meisten Fällen sinnvoll sein kann, zunächst eine interne Klärung zu versuchen. Wir laden auch alle Unternehmer ein, interne Hinweisgebersysteme einzurichten, die transparent, unabhängig, zügig und unter Berücksichtigung der Interessen und Rechte sowohl der Whistleblower als auch möglicher Verdächtiger mögliche Missstände aufklären und effektiv abstellen. Wo solche bestehen, werden Whistleblower diese in noch stärkerem Maße anderen Wegen vorziehen. Allerdings ist es unserer Meinung nach der falsche Weg, den Zugang zu Alternativen zur internen Hinweisen zu erschweren, da dann der Anreiz für Unternehmer selbst sorgfältig mit Hinweisen umzugehen, gemindert wird, und Whistleblower in kaum abschätzbare Beweisproblematiken verstrickt werden.

    Nach der ständigen Rechtsprechung hat der Arbeitgeber das Recht aus § 9 I 2 KSchG, einen Antrag auf Auflösung zu stellen, nur dann, wenn die Kündigung ausschließlich aufgrund der Sozialwidrigkeit unwirksam ist. Ergibt sich die Unwirksamkeit noch aus anderen Gründen, kann der Arbeitgeber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht verlangen (BAG, Urteil vom 9. 10. 1979 – 6 AZR 1059/77; BAG, Urteil vom 28. 8. 2008 – 2 AZR 63/07)
    Im Fall des berechtigten Whistleblowings würde sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus § 612a BGB ergeben, so dass ein Antrag des Arbeitgebers auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich wäre. Insofern sehen wir an dieser Stelle keine Gefahr eines „Schlupflochs“ für den Arbeitgeber.

    Was den Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG angeht, so existiert die von Ihnen angeführte Rechtsprechung zwar, in der Praxis stellt sie aber gerade nicht die von uns und wohl auch von Ihnen erhoffte Sperre gegen Umgehung von Whistleblowerschutz dar, im Gegenteil. So wird diese Rechtsprechung von den Untergerichten oft nur unzureichend rezipiert und in der Gerichtspraxis dienen derartige Anträge der Arbeitgeberseite häufig auch dazu, die betroffenen Arbeitnehmer in einen Vergleich zu drängen, der dann meist eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt als jene auf den Kündigungszeitpunkt rückwirkende Bestimmung enthält (was dem Arbeitnehmer als Vorteil verkauft wird), allen beteiligten Anwälten höhere Gebühren verschafft und dem Gericht ermöglicht, sich des Ausfertigens eines Urteils und des Aufhebungsrisikos zu entledigen.  
    Aber auch auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts gibt es zahlreiche Beispiele, bei denen in Fällen von Whistleblowing oder in dem Whistleblowing sehr ähnlichen Konstellationen § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegen den Willen des Arbeitnehmers angewandt wurde (z.B.: BAG vom 23.10.2008, 2 AZR 483/07; LAG Mainz vom 08.04.2008, 3 Sa 442/07 und LAG Bremen vom 12.04.2011, 1 Sa 36/09). Viele Gerichte bestreiten dabei den Argumentationsweg, dass das Whistleblowing unberücksichtigt bleiben könne, da es ja nicht geeignet sei, die Kündigung zu tragen, dennoch aber (und dann mit der beschriebenen Rückwirkung) das beharrliche Festhalten des Whistleblowers und seines Anwaltes an den Vorwürfen in und ggfls. außerhalb des Prozesses sowie die Reaktion anderer Mitarbeiter darauf es dem Arbeitgeber aber unzumutbar mache, das Arbeitsverhältnis vorzusetzen. Wie Ihr Vorschlag gegen diese Umgehung des Schutzes gefeit wäre, sehen wir leider nicht. 
    Sogar in dem in Ihrer Begründung erwähnten Fall der DG-Bank-Whistleblowerin gab es bereits ein Kündigungsurteil, welches auf § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG gestützt worden war und zunächst rechtskräftig wurde (LAG Hessen, 2 Sa 144/99). In ihrer aktuellen Verhandlung über die 19.(!) Kündigung vom 08.12.2004 (ArbG Frankfurt am Main, 9 Ca 6439/09) versucht die Rechtsnachfolgerin, die DZ Bank AG, erneut jenen Weg zu beschreiten, für welchen der Richter auch durchaus bereits einige Sympathie angedeutet, jedenfalls jenen Weg aber keineswegs unter Verweis auf die von Ihnen angeführte Rechtsprechung von vornherein ausgeschlossen hat. Schließlich könnte jene Umgehung mit der oben dargelegten Argumentation sogar im Fall Heinisch durchaus nochmal eine Rolle spielen, wenn nach Aufhebung der außerordentlichen Kündigung erneut über die fristgemäßen Kündigungen zu verhandeln sein wird.

    Eine Einbeziehung des Whistleblowings in § 1 AGG erscheint uns nicht als sinnvoll. Nach § 1 AGG sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung usw. geschützt. Also Merkmale, die einer Person gewissermaßen „anhaften“. Whistleblowing hingegen ist ein Verhalten. Zudem verwirklicht das AGG einen besonderen Schutz aufgrund von Art. 3 GG und Art. 21 I GR-Charta der Europäischen Union und diente der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien (insbesondere RL 2000/43, RL 2000/78). Aufgrund dessen entsprechen die Merkmale in § 1 AGG weitgehend denen in Art. 3 III GG und Art. 21 I GR-Charta der Europäischen Union. Nach unserer Auffassung wäre Whistleblowing daher ein Fremdkörper im AGG. Es würde sich auch die Frage stellen, warum nicht auch andere Verhaltensweisen, die als Gründe für Diskriminierungen in Betracht kommen, eine Einbeziehung in das AGG finden. Ferner ist die Systematik des AGG an vielen Stellen auf das Zusammenspiel von Benachteiligungsverboten und Rechtfertigungsgründen zugeschnitten. Auch hier vermag sich das Whistleblowing als Merkmal nicht richtig einzufügen (vgl. etwa § 8 AGG).

    Die Frage der Einbeziehung des Whistleblowings in das AGG sollte unserer Meinung nach nicht als juristisch dogmatische „Fremdkörper“-Diskussion sondern vor dem Hintergrund dessen geführt werden, was damit bewirkt werden könnte. Wir selbst haben in unserem Gesetzesentwurf keine Einbeziehung in das AGG vorgeschlagen, sondern wichtige AGG Schutzmechanismen explizit auf die Whistleblowing-Konstellation übertragen, dies wäre ein alternativer Weg. Jedenfalls halten wir es für wichtig, auch in Fragen des Whistleblowings ein klares Signal der Ächtung als Diskriminierung zu setzten (z.B. §§ 1, 3 AGG), einen weiten sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich zu ermöglich (§§ 5-7 AGG), dem Arbeitgeber spezifische Fürsorgepflichten aufzuerlegen (§ 12 AGG), dem Whistleblower ein explizites Leistungsverweigerungsrecht zu gewähren (§ 14 AGG), die kollektiv-rechtliche Komponente einzubeziehen (§ 17 AGG) und die Unterstützungsmöglichkeiten durch besondere Verbände und Stellen (§§ 23, 25ff. AGG) auch Whistleblowern anzubieten. Einige jener Punkte werden im Übrigen auch dann als Defizite Ihres Vorschlages deutlich, wenn man ihn mit der internationalen „best practice“ vergleicht (vgl. insoweit die oben zitierten Papiere von TI, GAP und OECD/G20).  
    Aber selbst Ihre dogmatische Argumentation ist bei genauerer Betrachtung kaum haltbar. Abgesehen davon, dass die Grünen selbst das AGG früher noch als weitreichendes Anti-Diskriminierungsrecht verstanden haben und dafür eintraten, es möglichst weit zu fassen (vgl.) enthalten selbst die EU-Richtlinien in ihren Erwägungsgründen einen klaren Bezug auf die Grundsätze „der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit“ (so z.B. RL 2000/43 Nr. 2) und besagen ganz allgemein: „Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein allgemeines Menschenrecht.“ Die bereits zitierte ILO-Konvention 158 enthält unmittelbar hinter dem Whistleblowerschutz in Nr. 5 c) in Buchstabe d) die Aufzählung „Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Familienstand, Familienpflichten, Schwangerschaft, Glaubensbekenntnis, politische Meinung, nationale Abstammung oder soziale Herkunft“. Und letztlich ist auch Art. 3 Abs. 3 GG nur eine Spezialnorm zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der eben jede Diskriminierung aus ungeeigneten Gründen, also auch wegen Whistleblowings, verbietet. Ist es aus rechtsstaatlicher Perspektive denn wirklich zwingend, vor Diskriminierung wegen z.B. „Religion oder Weltanschauung“ (die keiner Person „gewissermaßen anhaften“, sondern auf einer eigenen, freien Entscheidung beruhen) besser zu schützen, als vor der Benachteiligung jener, die sich aktiv für die Wahrung der Gesetze einsetzen (und von Gesetzes wegen teilweise sogar verpflichtet dazu sind)? 
    Auch der Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass Whistlebowerschutz und Anti-Diskriminierungsschutz zusammen passen. Vielfach sind Gremien, die für Beschwerden über Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes oder der Menschenrechte zuständig sind, dort schon heute auch für den Schutz von Whistleblowern zuständig (z.B. in Australien, Ghana oder Uganda), und Gerichte in Großbritannien berechnen den Schadensersatz für Whistleblower schon heute nach den Grundsätzen des Anti-Diskriminierungsrechts. 
    In Deutschland gelten außerdem über § 16 Abs. 1 und 2 AGG schon heute wesentliche Teile des AGG ohnehin bereits für eine bestimmte Gruppe von Whistleblowern, nämlich für jene, die auf Verstöße gegen das AGG selbst hinweisen. Warum sollte dann eine Ausweitung auf Hinweise bzgl. anderer Gesetzesverstöße derartig problematisch sein? Der von Ihnen angeführte § 8 AGG stellt dabei sicherlich kein Hindernis dar. Ähnlich wie bei den Kriterien Hautfarbe dürfte sich bei Kriterium „Whistleblowing“ kaum ein zweckmäßiger und angemessener Ausnahme-Diskriminierungsgrund und damit kaum ein konkreter Anwendungsbereich jener Norm ergeben. Dies wäre aber letztlich unschädlich.

    Schließlich möchten wir noch darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf keine Unterscheidung zwischen offenem und anonymem Whistleblowing trifft und mithin anonymes Whistleblowing nicht ausschließt.

    Dass Sie Ihren Entwurf auch auf anonymes Whistleblowing angewandt sehen wollen, begrüßen wir sehr, hielten es angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welches eine Berufung selbst auf Artikel 5 GG im Falle anonymen Whistleblowings für unzulässig hält, aber für sinnvoll, dies mindestens in den Gesetzesmaterialien auch klarzustellen. Damit wären aber dann noch keineswegs die anderen Fragen gelöst, die mit anonymem Whistleblowing und seiner Bearbeitung im Zusammenhang stehen. Der anonyme Whistleblower wäre damit vor Aufdeckung oder Ausforschung seiner Identität nach wie vor nicht geschützt. Beratende Institutionen hätten weiterhin kein Recht darauf, die Identität des Whistleblowers zu schützen und auch die Betreiber interner Hinweisgebersysteme müssten sich nach wie vor vorhalten lassen, dass sie diese wegen Verstoß gegen Datenschutzrecht nicht betreiben oder zumindest nicht bewerben dürfen. Ein weiteres Problem, nämlich die Wahrnehmung von Rechten durch anonyme Whistleblower stellt sich in Ihrem Gesetzesentwurf dabei allerdings in der Tat kaum, da sie ja weder offenen noch anonymen Whistleblowern ein Recht auf Information über die Behandlung ihres Hinweises, noch auf dessen angemessene Bearbeitung zubilligen wollen. Nur im Falle einer Diskriminierung hätte der anonyme Whistleblower dann noch zusätzlich das Problem, seine Identität offenlegen und nachweisen zu müssen, dass dem Täter diese bereits bekannt war oder vermutet wurde.

    Ferner erwägen wir derzeit die Ergänzung einer Evaluierungsklausel.

    Die Ergänzung um eine Evaluierungsklausel begrüßen wir, glauben aber, dass eine Evaluierung, solange es keine systematische Erfassung von Whistleblower-Fällen selbst im öffentlichen Bereich und keinen dafür zuständigen Whistleblower-Beauftragten – wie wir ihn in unserem Gesetzesentwurf vorgeschlagen haben – gibt, eine Evaluierung nur bedingt aussagekräftig sein wird. Mangels eines – von uns ebenfalls vorgeschlagenen – Fonds besteht dann ja auch immer noch kein Pool um die gesellschaftlichen Gewinne durch Whistleblowing wenigstens teilweise sichtbar zu machen und in alten und neuen Whistleblowerfällen jene zu entschädigen, die sich für öffentliche Interessen aufopfern ohne – z.B. bei Insolvenz des Anspruchsgegners – ausreichend geschützt zu sein.  
    Aus unserer Sicht wäre es darüber hinaus hilfreich, die Evaluierung nicht erst für die Zukunft vorzusehen, sondern schon jetzt einem Dialog (z.B. in Form eines runden Tisches) mit allen Beteiligten zu organisieren, um herauszuarbeiten, welche Lektionen aus vergangenen und noch laufenden Whistleblowerfällen gelernt, welche Missstände aktuell bekämpft und welchen Betroffenen hier materiell oder immateriell noch geholfen werden kann.

    Wir freuen uns weiterhin auf eine anregende Diskussion und werden selbstverständlich die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen weiter prüfen.

    Nochmals vielen Dank für die begonnene und hoffentlich weitergehende Auseinandersetzung mit unseren in diesem und unseren anderen Stellungnahmen enthaltenen Argumenten und deren Berücksichtigung bei
    Ihrer Arbeit.  

    Mit freundlichem Gruß

    Whistleblower-Netzwerk e.V.

    1. Sehr geehrte Damen und Herren vom Whistleblower-Netzwerk,
      vielen Dank für Ihre Antwort. Wir beschäftigen uns bereits mit Ihren Argumenten und Vorschlägen und wünschen an dieser Stelle schöne Feiertage.

    1. Sehr geehrte Damen und Herren vom Whistleblower-Netzwerk,

      bezüglich der arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten und der Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen können wir Ihre Einwände zumindest teilweise durchaus nachvollziehen. Daher werden wir uns mit diesen Personenkreisen noch einmal intensiv auseinandersetzen.

      Ein generelles Wahlrecht, das es dem Whistleblower grundsätzlich freistellt, sich unmittelbar an eine außerbehördliche Stelle zu wenden, erscheint uns nach wie vor nicht als sachgerechte Lösung. Wie auch Sie in Ihrem Kommentar schreiben, ist es in vielen oder sogar den meisten Fällen sinnvoll, zunächst intern Abhilfe zu verlangen. Diese Einschätzung teilen wir und legen sie unserem Gesetzesentwurf zugrunde. Dennoch lassen wir durch den weit gefassten § 612b Abs. 2 unseres Entwurfs viele Ausnahmen von diesem Grundsatz zu. In den wirklich relevanten Fällen, in denen wichtige Rechtsgüter in Gefahr sind, Straftaten im Raum stehen oder ein internes Abhilfeverlangen aus sonstigen Gründen unzumutbar ist, räumen wir dem Whistleblower ein Wahlrecht ein. In allen anderen Fällen, also dann, wenn ein internes Abhilfeverlangen zumutbar ist, erscheint ein Wahlrecht nicht sinnvoll und auch nicht notwendig.

      Hinsichtlich § 9 I 2 KSchG können wir Ihre Bedenken auch nach eingehender Prüfung der von Ihnen angegebenen Gerichtsurteile nicht teilen. So war etwa in der Entscheidung des BAG vom 23.10.2008 (2 AZR 483/07) sowohl die außerordentliche als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber unwirksam, da die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorlagen. Das BAG hat aber ausdrücklich festgestellt, dass kein Fall einer unzulässigen Maßregelung nach § 612a BGB vorlag, die Kündigung also nicht auch aus sonstigen Gründen unwirksam war (vgl. BAG, Urteil vom 9. 10. 1979 – 6 AZR 1059/77; BAG, Urteil vom 28. 8. 2008 – 2 AZR 63/07). Auch den anderen von Ihnen angeführten Entscheidungen konnten wir nicht entnehmen, dass bei sonstigen Unwirksamkeitsgründen ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers möglich sein soll. Im Gegenteil werden in den meisten angeführten Entscheidungen speziell sonstige Unwirksamkeitsgründe angeprüft und verneint. Wir werden diesen Punkt aber im Auge behalten und bei Gelegenheit weitere Einschätzungen dazu einholen.

      Wir bedauern, dass sich unsere Ansichten hinsichtlich einer möglichen Einbeziehung des Whistleblowings in das AGG nicht in Einklang bringen lassen. Die wesentlichen Argumente sind diesbezüglich wohl ausgetauscht und wir halten an unserer Position fest, dass das Whistleblowing im AGG einen Fremdkörper darstellen würde.

      Schließlich möchten wir uns noch für den Vorschlag bedanken, in der Gesetzesbegründung zu erwähnen, dass nach dem Entwurf auch anonymes Whistleblowing möglich ist. Dies erscheint uns als sinnvolle Klarstellung.
      Ferner erwägen wir derzeit die Ergänzung einer Regelung über den Umgang der zuständigen Stellen mit Hinweise.

      Nachdem wir den Gesetzentwurf nun drei Monate lang online diskutiert haben, werden wir die Online-Diskussion nun in Kürze beenden, um die Erkenntnisse der Diskussion auszuwerten und in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen. Wir bedanken uns bereits an dieser Stelle bei Ihnen und allen anderen, die mit uns diskutiert haben.

  4. Sehr geehrte Damen und Herren,
    bei allen Unterschieden zwischen Ihrem und dem jetzt vorgelegten Gesetzes-Entwurf der SPD ist zunächst positiv anzumerken, dass Sie sich dem dringenden Probleb endlich angenommen haben. Gleichwohl habe ich zu bemängeln, dass im Hinblick auf die bekannt gewordenen „Altfälle“ keine Regelung vorgesehen ist, auch diese – ohne noch langjährige nervenaufreibende Rechtswege bestreiten zu müssen – angemessen zu rehabilitieren und auch finanziell zu entschädigen. Die ehemaligen Arbeitgeber u. ä. müssten insoweit zur Leistung entsprechender Entschädigungszahlungen gesetzlich verpflichtet werden. – Es kann doch nicht sein, dass diese Personen (zu denen auch ich mich zähle) die erlittenen Demütigungen, Mobbing-Handlungen, Kündigungen, finanziellen Einbußen und erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohne jegliche Entschädigung mit ins spätere – aber zumeist doch vorzeitige – Grab nehmen.Diese Personen haben sich für die Allgemeinheit eingesetzt, sind dafür dem Sinn nach „misshandelt“ worden, was für einen Rechtsstaat nicht hinnehmbar sein sollte. Auch die Juden, in der NS-Zeit rechtskräftig enteignet, sind doch vor einigen Jahren entschädigt worden.
    Bitte teilen Sie mir hierzu bitte Ihre Einstellung mit!
    Mit freundlichen Grüßen
    Werner Borcharding (Tel. 0251-663586)

    1. Sehr geehrter Herr Borcharding,

      selbstverständlich erkennen wir an, dass Whistleblower in der Vergangenheit großen Einsatz für die Allgemeinheit gezeigt haben und oftmals unter Benachteiligungen und langen Gerichtsverfahren zu leiden hatten. Wir planen für unseren Gesetzentwurf jedoch keine Regelung zu Altfällen. Die Erstreckung unseres Gesetzentwurfes auf Altfälle wäre eine rückwirkende Regelung, die an hohen Vertrauensschutzmaßstäben zu messen wäre. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Aussprechens der Kündigung noch nicht auf die neue Regelung einstellen konnte.
      Eine Vergleichbarkeit mit der Enteignung der Juden in der NS-Zeit weisen wir zurück.

  5. Liebe Autoren des Gesetzesentwurfs der GRÜNEN im Bundestag,

    nach den inzwischen stattgefundenen Diskussionen und den weiteren Gesetzesentwürfen anderer Bundestagsfraktionen noch einmal ganz grundsätzlich:

    1. Was versteht man überhaupt unter Whistleblowing (WB)?
    WB stellt eine gesellschaftlich besonders relevante Form der Meinungsäußerung über einen entdeckten Missstand in Institutionen dar (Unternehmen, Behörden, Vereinigungen…). Wenn (und nur wenn) die gemachten Angaben dem Sachverhalt angemessen sind, ist das betreffende WB im Sinne der Qualitätssicherung eine wertvolle, schützens- und förderungswürdige Maßnahme, unter Umständen sogar in besonders hohem Maße: für die Gesellschaft bzw. für Mitbewerber bzw. für die Beschäftigten der Institution bzw. sogar für die Geschäftsführer der betreffenden Institution selber.

    2. Inwiefern ist denn WB bislang gesetzlich geschützt bzw. wo hört der Schutz auf?
    a) WB ohne Arbeitsverhältnis des WBers zur kritisierten Institution
    Allgemein ist das WB rechtlich geschützt durch die Normen
    * EU: Art. 10 Menschenrechte sowie
    * D: Art. 5 GG, §§ 226, 826
    * andererseits wird der WB-Schutz dort begrenzt, wo Schutzrechte der betreffenden Institutionen (oder anderer Personen) tangiert sind,
    * zu dieser Begrenzung siehe
    Art. 5 GG,  §824 BGB, §§ 186, 187 StGB
    * prominente Beispiele für die Auseinandersetzung um den Schutz für den WBer einerseits -versus- für das kritisierte Unternehmen andererseits:
    * R. Breuer von der Dt. Bank  -versus-
      L. Kirch, Kirch-Medienkonzern
    * J.Grässlin von den kritischen Aktionärer  -versus-
      J.Schrempp, D.Zetsche vom Vorstand des Daimler Konzern
    * prominentes Beispiel, bei dem die kritisierte Institution eine Vereinigung darstellt ist der Fußball Verband FIFA, dem immer wieder –berechtigt- oder unberechtigterweise?– Korruption vorgeworfen wird

    b) WB bei einem Arbeitsverhältnis des WBers zur kritisierten Institution
    Schwerpunkt der gesellschaftlichen WB-Aktivitäten stellt  WB dar, das aus einem Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Unternehmen heraus ausgeübt wird.
    Zusätzlich zu den o.a. allgemeinen Schutzrechten ist das WB aus einem Arbeitsverhältnis heraus geschützt durch die Rechtsnormen:
    * §§ 242, 612a, 618 BGB
    * BetrVG
    * ArbSchG und seine Rechtsverordnungen
    (das sind verbindliche Handlungsanweisungen für die Gewerbe-
    Aufsichtsbehörden=’Arbeitsschutzbehörden‘)
    * LASI Veröffentlichungen (siehe LASI LV)
    (das sind weitere Handlungsempfehlungen für die Arbeitsschutzbehörden)
    auch hier wird der zusätzliche WB-Schutz dort begrenzt, wo Schutzrechte der betreffenden Institutionen (oder anderer Personen) tangiert sind,
    * zu dieser zusätzl. Begrenzung aufgrund des Arbeitsverhältnisses siehe
    §§241, 242, 611 BGB sowie der betreffende Arbeitsvertrag
    * für öffentliche Angestellte und Beamte sei auf die analog einschlägigen Normen aus dem Beamtenrecht bzw. deren Aufsichtsbehörden verwiesen
    * prominentes Bsp. für die Auseinandersetzung um den zusätzl. Schutz s:
    ** Altenpflegerin  -versus-  Management eines Pflegeheim-Konzern
    ** U.Schirmer -versus- Management  der Fa. Porsche

    3. Warum eine Gesetzesnovelle und was sind die Anforderungen?
    In der Praxis ist der o.a. WBer Schutz oft unzureichend, also die Balance mit den Schutzrechten für die kritisierte Institution nicht gewahrt
    Dazu gibt es internationale Forderungen, diese Balance in der Praxis besser zu bewerkstelligen, vor allem werden von den G20-Nationen und der EGMR Forderungen an Deutschland herangetragen, wirksamere Schutzmechanismen für das WB zu schaffen mit dem Ziel, das Aufdecken und die Beseitigung von Missständen in Institutionen stärker zu fördern. Ein Anliegen, das natürlich auch von nationalem gesellschaftlichen Interesse ist.
    Folglich geht es bei der anstehenden Gesetzesnovellierung:
    * gar nicht nur um WB durch die Arbeitnehmer eines Unternehmens, sondern auch um WB durch jedwede Bürger, zB.Jounalisten, die etwas über Missstände in einer Institutionen in Erfahrung gebracht haben und dieses Wissen geeignet weitergeben sollen, damit die Missstände beseitigt werden.
    * weniger darum, die Arbeitnehmerrechte zu stärken oder die Bürger mutiger zu machen, sondern vor allem darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass WB ohne übermäßiges Risiko und ohne übermäßige Zivilcourage möglich wird.
    Der Schutzmechanismus sollte einfach zu durchschauen und vertrauenswürdig sein (KISS-Prinzip), damit ihn jeder potentielle WBer, in der Mehrzahl Nichtjuristen, versteht und ihn nutzt, wann immer der Bedarf besteht, einen Missstand zu melden

    4. Kritik am Entwurf eines neuen § 612b BGB: leider nicht praxistauglich!
    .Die im vorliegenden Gesetzesentwurf der GRÜNEN Fraktion vorgesehene Schaffung eines § 612b BGB betrifft nur das WB durch Arbeitnehmer und erfüllt nicht die o.a. internationalen Anforderungen nach allgemeinen WB-Schutz für alle Bürger.
    Und selbst dann, wenn es sich um WB durch Arbeitnehmer handelt, geht er aufgrund der arbeitsgerichtlichen Praxis regelmäßig ins Leere, siehe früheren Blog-Kommentar und Folgendes:
    * Der §612b-Entwurf bezieht sich ja auf das Stadium, wenn die Auseinandersetzung bereits vor Gericht gelandet ist, sprich wenn dem WBer vom kritisierten Arbeitgeber bereits gekündigt wurde. Der geforderte Schutzmechanismus sollte jedoch nicht erst dann, wenn der WBer bereits Schaden genommen hat, wirksam werden, was bei einer Kündigung immer der Fall ist, sondern sollte seine Schutzwirkung bereits bei der Meldung des Missstands entfalten.
    * Statt Schutz zu bieten, lässt der §612b-Entwurf den WBer sogar explizit ins Messer laufen, wenn er verlangt. dass er den Missstand mit offenem Visier dem Arbeitgeber mitteilt. Das mag zwar konform gehen mit der geltenden Arbeitsrechtsprechung, was es aber auch nicht besser macht. Die Pflicht zum offenen Vortrag eines Missstands beim Arbeitgeber verletzt ganz grundsätzlich das verfassungsmäßige Gebot der Waffengleichheit, und schafft eine erhebliche Schieflage, denn das Arbeitgeber-Management kann sich bedeckt halten, während der WBer sich um Kopf und Kragen redet. Der WBer kann ja gar nicht abschätzen, wer im Hintergrund sich alles auf den Schlips getreten fühlt und Intrigen gegen ihn spinnen wird. Daher gehört diese arbeitsrechtliche Vorschrift, sich zunächst persönlich an seinen Arbeitgeber zu wenden, schleunigst beseitigt, und dazu besteht jetzt ganz zwanglos Gelegenheit.
    * Es ist ja schon seit eh und je ein Risiko gewesen, u.U. ein hochgradiges Risiko, Kritik an Missständen zu üben und hat schon so manchem den beruflichen oder überhaupt den Kopf gekostet. Wenn nicht anders zu bewirken, ist die Gesellschaft tatsächlich auf solches selbstloses Engagement angewiesen, dann sind die WBer wirkliche Helden, zB in Diktaturen. Aber dort wo es doch nicht sein muss, sollte man unnötige Risiken für den WBer und seine Familie, die ja immer in Mitleidenschaft gezogen wird, vermeiden, und dies ist im Arbeitsrecht ganz leicht möglich, sogar derart, dass die schutzwürdigen Interessen rechtschaffener Arbeitgeber ebenfalls voll gewahrt bleiben, Lösung siehe unten.
    * Wie oben angeführt bietet der existierende §612a BGB –theoretisch – bereits umfassenden Schutz bei jedweder zulässiger Rechtsausübung (siehe nur Prof.U.Preis im ‚Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht‘, zB. Ausgabe 2007). Ein §612b wäre dazu ein lex specialis, und zwar ein übermäßig ausformulierter, der ähnlich einem Kuckucksei die anderen ebenso berechtigten Spezialisierungen des §612a in den Hintergrund drängt. Notwendig wäre stattdessen die Stärkung einer angemessenen Umsetzung des lex generalis § 612a in der arbeitsgerichtlichen Praxis insgesamt.
    * WB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und seine gerichtliche Prüfung aufwändig. Er verleitet zu Missbrauch vor Gericht. Denn Hinweise auf allgemeine Missstände sind häufig nicht zu trennen von Hinweisen in eigener Sache, berechtigte Hinweise häufig nicht leicht abzugrenzen von Hinweisen aus Wichtigtuerei. Mancher gekündigte Arbeitnehmer würde sich künftig nur aus Prozesstaktik darauf berufen, er sei gekündigt worden, weil er Missstände aufgedeckt habe. Ein inflationärer Gebrauch des Begriffs des WB ist für das Anliegen, WB bei echten Missständen zu fördern, ausgesprochen kontraproduktiv.
    * Umgekehrt aus der Interessenlage des Arbeitgebers: dem WBer wird ganz sicher nicht deswegen gekündigt, weil er einen (echten) Missstand aufgedeckt hat, sondern da finden sich mühelos andere Gründe und das ist gängige Praxis, da gibt es entsprechende Schulungen für Personaler. Selbst wenn dann solche Kündigungsgründe an den Haaren herbeigezogen sind, sie stehen vor dem Arbeitsgericht primär zur Prüfung an, also zB. die Begleitumstände beim WB, die der kündigende Arbeitgeber als arbeitsvertragsverletzend vorbringen wird, und nicht etwa die Frage, ob das WB selber berechtigt war oder nicht. Wenn zB. dem Arbeitgeber (bzw. seinem gewieften ProzBev) nichts Besseres einfällt, kann er zumindest behaupten:
    der gemeldete Missstand sei doch längst bekannt gewesen, der Gekündigte habe sich da lediglich angehängt und habe dabei so ein Theater gemacht, dass er seine arbeitsvertraglichen Pflichten völlig versäumt hat, er habe eine verzerrte Wahrnehmung entwickelt und sei jetzt geradezu krankhaft auf das vermeintliche WB fixiert, vergeblich würden ihn alle an seine arbeitsvertraglichen Pflichten mahnen, nun sei das Arbeitsverhältnis restlos zerrüttet, niemand wolle mehr mit ihm zusammenarbeiten etc. Dann würde dem gekündigten WBer der §612b-Entwurf gar nichts nützen. In der arbeitsgerichtlichen Realität böte er leider keinen wirksamen Schutz, sondern würde den WBer in trügerische Sicherheit wiegen. Der §612b ist zwar gut gemeint, aber leider irreführend und nicht vertrauenswürdig.
    * Dem Gesetzesentwurf zufolge soll es ins Ermessen des WBer gestellt werden, zu entscheiden, ob er mit seinem Anliegen an die Öffentlichkeit geht. Das versöhnt mich mit diesem Gesetzesentwurf, denn es zeigt, dass dieser Gestzesentwurf gar nicht ernst gemeint sein kann und wohl nur ein Versuchsballon o.ä. im Parteiengeplänkel darstellt, eine solche Naivität ist doch den GRÜNEN Parlamentariern wirklich nicht zuzutrauen: Massenhafte WB-Fehlalarme und Verletzung der Schutzrechte der kritisierten Institutionen, u.a. Rufmord mit destruktiven Auswirkungen für alle dort Beschäftigten und eine Flut unnötiger Gerichtsverfahren wären die Folge. Das zeigt noch einmal deutlich das prinzipielle Problem, wenn man einen unbestimmten Rechtsbegriff wie WB in die Justiz einführt: jedesmal müsste man ja zunächst eine qualifizierte Eingangsprüfung vornehmen, ob überhaupt ein echtes WB vorliegt, ob also der vorliegende Tatbestand das rechtfertigt. Ganz davon abgesehen, dass ein Arbeitnehmer, der mit WB an die Öffentlichkeit geht, regelmäßig in Konflikt mit seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht kommt. Er wird danach nur noch als Abschusskandidat in seiner Firma herumlaufen, bis sich irgendein Grund findet, und das dauert nicht lange, so dass man ihm wegen (angeblichen) Fehlverhaltens kündigt. Nein, mit einer Inflationierung von WB ist niemandem gedient. WB gehört nur unter besonderen Umständen in die Öffentlichkeit, und das kann man nicht pauschalisiert als zulässig normieren, sondern dafür wende man sich am besten an die Medien, die ja jede kritische Veröffentlichung durch ihre Hausjuristen prüfen lassen. Dazu braucht man keinen §612b.

    5. Die Lösung ist einfach und längst praxiserprobt
    Was bei den GRÜNEN MdBs gar nicht bekannt zu sein scheint: so ähnlich wie die Kultusministerien für die Bildungseinrichtungen, gibt es eine flächendeckende Aufsicht für das Gewerbe, nämlich die Arbeitsschutzbehörden (früher Gewerbeaufsichtsämter). Deren Aufgabenspektrum ist vielfach im Internet nachlesbar und betrifft die Überwachung und Qualitätssicherung der technischen Einrichtungen und der sozialen Arbeitsorganisation in den Betrieben. Dazu gehören das ArbSchG, ArbZG,und alle vorgerichtlichen Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Verklammerung der einzelnen Bundesländer geschieht über die ASMK und die LASI und deren LASI Veröffentlichungen (s. LASI LV). Allerdings treten die Arbeitsschutzbehörden nur in Aktion, wenn sie explizit über entsprechende Rechtsverordnungen dazu angewiesen werden (vgl. Verordnungen zum ArbSchG).
    Um dem Anliegen eines wirksamen WB-Schutzes und -Förderung nachzukommen, sollte man also
    * einen geregelten anonymen Beschwerdeweg zu den zuständigen Arbeitsschutzbehörden schaffen (vgl. früheren Blog-Kommentar)
    * mit einer entsprechenden Arbeitsschutz-Rechtsverordnung die Arbeitsschutzbehörden zur entsprechenden Aufsicht und Kontrolle veranlassen
    * diese werden dann ihr Instrumentarium schärfen, um den WB-Beschwerden professionell nachzugehen und sich sachlich und ohne Gefährdung der WBer mit den kritisierten Unternehmen auseinanderzusetzen. Derart moderiert ist es zielführender und auch für den Arbeitgeber angenehmer als wenn ein möglicherweise aufgeregter und emotional aufgeladener WBer die Beschwerde selber vorbringt.
    * Entsprechendes gilt bzgl. der Aufsichtsbehörden für Beamte und öffentlich Angestellte
    * Für den Fall, dass die Arbeitsschutzbehörde untätig bleibt, gibt es den Weg einer Dienstaufsichtsbeschwerde.
    * Ein solches anonymisiertes Beschwerdeverfahren ist bereits seit Jahren eingespielt bei Verletzung der ArbZG: Ein zu ständigen Überstunden genötigter Arbeitnehmer muss dort nur Bescheid geben, dann erfolgt bald die nächste ‚Routine’kontrolle, bei der dann das Zeitkonto besonders unter die Lupe genommen und ggfs. ein empfindliches Bußgeld verhängt wird, ohne dass der Arbeitgeber je erfährt, wer den Tipp gegeben hat. Das Verfahren hat schon manches Unternehmen zur Räson gebracht.
    * Diese bewährte Beschwerdemöglichkeit wäre also zu erweitern auf WB zu allen Belangen des Arbeitsschutzes und auch auf WB durch Bürger, die nicht der kritisierten Institution angehören.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Peltason

    1. Lieber Herr Peltason,
      vielen Dank für Ihren Beitrag zu unserer Diskussion. Zu vielen der von Ihnen angesprochenen Punkte haben wir im Rahmen dieser Online-Diskussion ja bereits in unserer Antwort vom 5. Dezember Stellung bezogen. Daher möchten wir uns an dieser Stelle auf die folgenden Aspekte beschränken:
      – . In allen Fällen, in denen Gefahren für wichtige Rechtsgüter drohen oder die Begehung von Straftaten im Raum steht, muss sich der Arbeitnehmer nicht an den Arbeitgeber wenden. Dies ist ohne Zweifel die große Vielzahl der „Whistleblower-Fälle“.
      – Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass unser Gesetzentwurf ein anonymes Whistleblowing nicht ausschließt.
      – Der Hinweis an die Öffentlichkeit ist in unserem Entwurf als Ausnahmefall für besonders schwerwiegende und dringende Gefahren für wichtige Rechtsgüter vorgesehen. Er stellt also sozusagen die „ultima ratio“ dar.
      – Wir sind der Ansicht, dass Hinweise stets an die im Einzelfall zuständige Stelle gehen sollten. Dies ist grundsätzlich diejenige Stelle, die auch für die Beseitigung des Missstandes zuständig ist und über die entsprechenden Möglichkeiten verfügt. Aus diesem Grund kann die Arbeitsschutzbehörde nicht in jedem Fall die zuständige Stelle sein. Andernfalls würde sie mit der Bearbeitung von Hinweisen belastet, für die andere Stellen kompetenter sind.

  6. Erlauben Sie mir ein Hinweis, auf die von Herrn Peltason
    erwähnten LASI Veröffentlichungen – sämtliche LASI Veröffentlichungen sind unverbindliche Arbeitshinweise für die Arbeitsschutzbehörden!!

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